Fragen:

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Auswertung

Wie bewerten Sie Konzepte zur Individualisierung von Medienrezeption als Potenzial im digitalen Storytelling?

Jacob Vicari

TACTILE.NEWS

Ja, ich glaube, dass Personalisierung oder Individualisierung, also das Individualisierung und Personalisierung eine der großen Verheißungen ist, die künstliche Intelligenz uns jetzt bringen kann. Also das ich praktisch mein Morning News Briefing so bekomme, wie ich das haben möchte, nicht wie eine Redaktion sich das ausgedacht hat. Und das geht dann halt auch für Storytelling. Wenn ich der Mondlandung heute folgen wollte. Ist es vielleicht ein schlechtes Beispiel, wenn ich (…) wenn ich so eine der typischen Liveticker Situationen verfolge, meinetwegen jetzt zur Bundestagswahl, dann möchte ich ja auf mich persönlich zugeschnittene Geschichten haben und den Nachrichtenstrom möglichst konsistente, für mich zugeschnittene personalisierte Geschichten sehen und nicht so einfach das alles da so aufpoppt, wie das halt irgendjemand, der einspeist. Oder wenn ich eine Geschichte lese, über einen Schiffsuntergang dann möchte ich vielleicht selbst bestimmen, welchen Pfad ich verfolge, ob ich praktisch den Pfad der nachträglichen Rekonstruktion verfolge oder lieber live an Bord bleibe und das aus der Perspektive des Schiffsjungen mitkriege. Und dass das nicht die Reporterin bestimmt, wann der Schnitt ist und ich von da nach da kommen, sondern ich die Möglichkeit habe, diese verschiedenen Perspektiven selbst zu entscheiden. Auf jeden Fall glaube ich ist die Personalisierte (…) meine personalisierten Vorlieben wie ich etwas konsumiere und so hat ein Riesenpotenzial, das ich praktisch meine persönliche individualisierte Story kriege, die womöglich wirklich durch Redaktion vorgegeben wird Aber es könnte auch sein, dass es so eine Crowdcreation gibt, also wie eine Spotify Playlist im Spotify Mix wird die auch durch viele Leute, die vielleicht ähnliche Interessen haben wie ich, schon mal vor kuratiert und dann krieg ich praktisch meine eigene Playlist. Es ist ja sehr erfolgreich. Warum geht das eigentlich nicht so, dass dann die Reportage, die ich lese schon mal von Leuten, die ähnliche Interessen haben wie ich schon einmal so ein bisschen gestreamlined wird in die Richtung und sie sehr personalisiert zu mir passt. Und ich weiß ja auch sehr viel. Also wenn ich immer wieder Artikel lese über den Nahostkonflikt, dann muss ich vielleicht in der Reportage gar nicht so viel Hintergründe noch mal erklärt bekommen, weil ich eigentlich schon ganz viel gelesen habe. Und das könnte ja auch in Betracht gezogen werden schon das System wissen, dass mir die Nachrichten ausgeht und dann halt mir die Dinge, die ich eh schon weiß, ersparen und mir lieber tiefen Informationen geben zu Themen, die vielleicht noch nicht weiß anders als vielleicht meine Tochter, die noch nie eine Reportage darüber gelesen hat und die dann vielleicht viel mehr Hintergründe kriegt. So, deswegen glaube ich, dass diese Individualisierung und Personalisierung Riesenpotenzial hat und dass diese die Diskussion, die da vielleicht dranhängt um Filterbubble, dass man nicht mehr alles mitkriegt, völlig überschätzt ist und ist das Potenzial, Leser:innen besser zu erreichen und individuell besser zu erreichen, wirklich eine große Chance für den Journalismus ist.

Matthias Leitner

BR audience:first Lab

Muss jetzt genau überlegen, wann ich das persönlich hatte, weil was ich in meinen Projekten oft mache, ist quasi so eine Individualisierung zu suggerieren. Aber tendenziell ist die Basis Erfahrung für alle gleich. Das ist ja auch das, was beispielsweise längere Zeit mal im Gaming Bereich affin war, dass die Leute so das Gefühl hatten: „ach ich habe jetzt hier voll die Entscheidung getroffen“, aber drei vier Pfade später kommt eine Basisgeschichte wieder zu einem und ich glaube, das ist es hier. Also den größten Grad der Individualisierung erlebe ich in immersiven Theaterstücken, sei es Punchdrunk oder andere. Und auch dort gibt es eine gewisse Linearität. Das heißt, ich verstehe das Konzept der Individualisierung und ich geh das auch voll mit. Ich setze für mich wiederum einen Rahmen. Es gibt ja oft eine neue Basis, auf der ich vermittle oder auch ein Ziel quasi von dem Thema und von Wissen, das ich mitgeben will. Da wäre es mir natürlich schon recht, dass bei aller Individualisierung der Grundkern da ist. Aber das Gefühl zu suggerieren erstmal das jeder für sich genommen als Mensch angesprochen wird und nicht so ein Talking ist, das in die Masse sendet. Das ist, glaube ich auch wiederum so ein Grundbestandteil von digitalen Erzählungen. Ich weiß jetzt nicht, ob das so klar rüberkommt, was ich damit meine. Also ich hätte schon gern, dass der andere, mein Gegenüber, sich immer in seiner vollständigen Menschlichkeit als Individuum angesprochen fühlt und nicht das Gefühl entsteht, dass hier etwas massenhaft passiert, weil dadurch dann oft auch die Nutzungssituation konterkariert wird. Also wenn ich mir den Eisner anschaue als Projekt, jeder hat das Smartphone in der Hand und wir haben immer die Regel gehabt, dass jeder Eisner immer wieder eine neue Nachricht schickt, quasi die immer in den Massenversand ging. An alle 15.000 Leute, die maximal in dem Projekt mal drin waren zur gleichen Zeit. Aber die konnten unsere Antworten und den Dialog drehten mit uns und wir haben den Leuten wiederum erst geantwortet. Also erst wieder massenhaft versendet, wenn alle Nutzungsanfragen quasi beantwortet worden, sodass auch wirklich dieses, das Gefühl der Individualisierung komplett da war. Wenn man jetzt auf andere große Themen geht wie: Ich habe jetzt nur noch meine individuelle Mediensuits oder ich habe jetzt eine Geschichte von Ray Bradbury gelesen aus dem illustrierten Mann, wo quasi das Holodeck als Kinderzimmer gestaltet war und jeder hat dann über seine eigenen Gedanken hier eine voll individualisierte Erfahrung. Wenn wir die Ecke quasi noch nehmen, dann finde ich das nicht sonderlich faszinierend, weil ich in meinem persönlichen Mindset schon gerne geteilte Erfahrung hätte oder mich zumindest mit anderen Leuten über meine mediale Erfahrung unterhalten will, auch wenn sie erst mal sehr individuell wirkt.

Kay Meseberg

ARTE

Das ist ja eigentlich der große Cleavage sozusagen zwischen nicht digitalem und digitalem Storytelling. Das ist ja sozusagen die grundlegende Unterscheidung mit Individualisierung, aber dann auch in der Masse (…) ist ja auf den Plattformen, wie wir sie aktuell kennen, digitales Storytelling möglich. Also es gibt andere Ideen und es gibt andere Konzepte. Aber im Massenmarkt hat sich davon ja nichts durchgesetzt. Und man merkt es ja schon an vielen Reaktionen von Menschen, die auch zum Beispiel wieder das Kino entdecken, weil sie halt wirklich auch diesen Effekt toll finden oder Konzerte, reale Konzerte, dass sie quasi nicht nur vor dem Bildschirm sitzen, sondern mit Menschen, echten Menschen im gleichen Saal oder im gleichen Raum sind. Also das ist nicht nur ein Potenzial, die Individualisierung der Medienrezeption, sondern das ist eigentlich eine Grundvoraussetzung für digitales Storytelling, um Interaktivität zu ermöglichen, weil alle Konzepte jetzt (…) gab es ja in den 80er, 70er, 80er Jahren schon im Fernsehen mit irgendwelchen Abstimmungen und Votings usw., das ist ja jetzt nicht so neu, aber es ist ja immer sozusagen eine individuelle Meinung und Resultat gewesen: „Ich will jetzt das und finde das besser.“ Und am Ende war natürlich dann (…) die Ergebnisse der Abstimmung wurden dann angezeigt. Aber haben wir dann auch Rückschlüsse darauf gelassen, wie denn das Publikum tickt? Und das ist sozusagen mit allen digitalen Plattformen und im digitalen Storytelling quasi auf Mikro und zunehmend auch Nanoebene messbar realisiert worden.

Lars Grabbe

Münster School of Design

Ja, genau. Das ist natürlich eine sehr gute Frage. Ich glaube, dass die Personalisierung, also wenn du das so erklärst, ist mir das auch deutlich, eine ultrahohe Gewichtung hat heutzutage. Also Medienrezeption generell ist nicht mehr massenmedial passiv. Also Menschen, die sich vor den Fernseher setzen und sich von 20:15 bis morgens um eins ARD anschauen auf einem Samstag. Ich glaube, diese Zahl wird sukzessive weniger werden, weil wir individuell kommunizieren wollen. Wir wollen, wir wollen streamen, wir wollen auf Portale und Medienplattformen zugreifen und genau dann, wenn ich das Bedürfnis habe nach einem medialen Inhalt, dann möchte ich den auch rezipieren. Egal welche Uhrzeit. Deswegen glaube ich das Storytelling als Nutzeradressierung und als Potenzial eben, weil Storytelling natürlich nicht nur eine reine Faktenbasierung sozusagen als Leitfaden mit sich zieht, sondern auch eine emotionale Involvierung, ein Involvement oder eine Ingression oder eine Immersion. Egal, wie wir das jetzt ausdrücken. Darauf zielt es ja eigentlich ab, also eine Steigerung des Erfahrungswertes beim Informationsrezipieren. Und ich glaube, dahin kann sich ein progressives Storytelling entwickeln und muss es auch. Also die Frage ist natürlich, welche Konzepte gibt es schon? Appbasiert? Streamingportale sind ja eine Individualisierung von Medienrezeption, was Film und Serien Formate angeht. Und wenn wir jetzt mal schauen, ich wurde vor kurzem erst interviewt von einem Radio zum Thema zehn Jahre Netflix und die Netflixzahlen die sind ja, auch wenn die mal ein bisschen runtergehen, aber sehr, sehr progressiv. Und heutzutage gibt es ja in Deutschland fast niemanden, der entweder nicht Prime-Kunde, Netflix-Kunde oder DisneyPlus-Kunde ist oder so, sondern wir suchen uns das schon, die Formate und das ist glaube ich sehr, sehr, sehr fruchtbar, alleine schon aus der Perspektive des Geschäftsmodells. Ja, weil Gestalter, Gestalter wollen ja irgendwann auch Geld verdienen mit Adressierungen von Kundinnen und Kunden. Und dass sie nun alle individueller werden mit unseren Devices und Internetzugängen usw., da hängt das glaube ich zusammen. Die Frage ist sehr gut und sie berührt alles. Also die Medienproduktion, sie berührt das Geschäftsmodell, die Ebene und sie berührt aber auch die Gestaltung und natürlich auch die technologische Entwicklung. Also ich glaube, das ist eine Frage auch der zukünftigen Relevanz.

Jens Radü

Der Spiegel

Ja, das Beispiel von der Postleitzahlen-Suche ist auch hier schlagend. Ich glaube, dass das eine der größten Stärken ist. Denn digitale Storys, die im Netz, über welchen Kanal auf immer verbreitet werden, haben eben immer diesen direkten Rückkanal, diese Anbindung an den Leser, an die Leserinnen. Und das ist eine der größten Chancen. Ich wünschte, wir wären schon weiter, denn über die personalisierte Homepage, über personalisierte Storys haben wir auch schon vor zehn, 15 Jahren gesprochen. Die Möglichkeiten sind ja nicht neu. Im Web 2.0 war so ein Schlagwort, was in den 2010er Jahren sehr, sehr en vogue war. Ich habe das Gefühl, dass wir in vielen Bereichen damit weitergekommen sind. Aber das sind nicht unbedingt die journalistischen Bereiche, sondern eher Social Media. Also dass man auf Instagram oder auf Facebook sehr individuelle Algorithmen hat, die da das eigene Interesse bedienen. Zumindest das findet sich in den Mainstream Medien so noch nicht wieder. Was ein Vorteil ist. Einerseits. Denn natürlich erlebe ich TikTok in meiner Bubble, in dem, was ich mag, in dem, was ich suche, in dem, was ich stärker konsumiere als vielleicht andere. Und das TikTok von mir sieht ganz anders aus. Und das ist bei Instagram natürlich genauso. Und das kann natürlich eine Gefahr sein, wenn es ja auch um eine öffentliche Aufgabe von Journalismus geht und wenn demokratietheoretisch über Journalismus reden sind wir sehr schnell bei Artikel 5 des Grundgesetzes, der Herstellung von Öffentlichkeit. Und man sieht es jetzt in der Wahlberichterstattung: Menschen müssen sich eine Meinung bilden und Medien sind per Gesetz dazu verpflichtet, an dieser Meinungsbildung nicht nur teilzuhaben, sondern die überhaupt erst zu ermöglichen. Natürlich geht es inzwischen auch über andere Kanäle, aber wir sind nach wie vor ein wahnsinnig wichtiger Player in diesem Bereich. Und deswegen wäre es fatal, wenn Medien so personalisiert sind, dass alles außerhalb der eigenen Bubble gar keine Rolle mehr spielt. Natürlich sind hier sehr, sehr viele Menschen in der Redaktion, die Friedrich Merz nicht gerade nett oder gut, kompetent oder schlau finden, vielleicht auch genauso viele, die Herrn Habeck nicht gerade für den geeigneten Kanzlerkandidaten halten. Trotzdem müssen wir sowohl über Merz als auch Habeck als auch über Scholz so berichten, dass Menschen dazu eine Meinung bilden können. Öffentlichkeit herstellen. Tatsächlich bin ich aufgewachsen mit dem Diktum „Journalisten sind keine Pädagogen, sondern Publizisten“. Ihnen geht es erst mal darum, zu veröffentlichen und nicht zu überlegen: Oh, was können Sie mit dieser Veröffentlichung eventuell bei unseren unmündigen Leserinnen und Lesern losgetreten werden? Und das ist tatsächlich etwas, woran ich glaube. Wir haben ein mündiges Publikum und sollten uns gar nicht erst versuchen aufzuschwingen über alle Auswirkungen und Folgen, die unsere Veröffentlichung nach sich ziehen die Hoheit behalten zu wollen, das ist ohnehin Hybris. Deswegen ist mir wichtig, dass die Individualisierung, die theoretisch ja möglich ist, im digitalen und im digitalen Storytelling ganz besonders nicht auf die Spitze getrieben wird. Und dass wir irgendwann nur noch Bubbles reproduzieren. So, lange Vorrede: Ich glaube, das digitale Storytelling hat aber vor diesem Hintergrund und vor dieser Folie ein wahnsinniges Potenzial, weil dieses Nutzwertige, dieses News to Use: Was ziehe ich eigentlich daraus? Was sagt Abgeordnetenwatch jetzt genau zu meinem Abgeordneten, der in meinem Wahlkreis antritt? Das kann ja tatsächlich über ganz viele verschiedene Ebenen hinweg eine große Chance sein, wenn ich nicht das Gefühl habe, da wird mit einer ganz großen Kanone an Inhalten auf das Land gefeuert, sondern ich kann mir eben sehr, sehr genau aussuchen, was mich gerade betrifft und was mich interessiert. Deswegen ja, das Individualisierungskonzept ist sehr, sehr lohnend. Wir sind noch nicht so weit, wie wir es vielleicht sein könnten. Man sollte nur eben achten, dass auch das Grenzen hat.

Geht es um die Medienauswahl, scheint Individualisierung im Rahmen von algorithmischer Bespielung von Inhalten an Endnutzer:innen ein großes Potenzial darzustellen. Ein Potenzial, welches im Rahmen von journalistischen Plattformen scheinbar noch nicht vollständig genutzt wird. Diesem Potenzial geht besonders auch ein monetäres Interesse einher.

„Also das ich praktisch mein Morning News Briefing so bekomme, wie ich das haben möchte, nicht wie eine Redaktion sich das ausgedacht hat.“ (Dr. Jacob Vicari, persönliche Kommunikation, 16.12.2024)

„Ich wünschte, wir wären schon weiter, denn über die personalisierte Homepage, über personalisierte Storys haben wir auch schon vor zehn, 15 Jahren gesprochen.“ (Dr. Jens Radü, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

„…alleine schon aus der Perspektive des Geschäftsmodells. Ja, weil Gestalter, Gestalter wollen ja irgendwann auch Geld verdienen mit Adressierungen von Kundinnen und Kunden. Und dass sie nun alle individueller werden mit unseren Devices und Internetzugängen usw., da hängt das glaube ich zusammen.“ (Prof. Dr. Lars C. Grabbe, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

Der Filtergedanke wird außerdem von VICARI weitergespielt. Er spricht von einer Vorstellung, Informationen, die ich mir bereits durch intensive Auseinandersetzung angeeignet habe, konkret auszublenden und tiefergehende Informationen einzuspielen. Weitergedacht denkt er an die Möglichkeit Nutzer:innen-Verhalten als Tool zu verwenden, um den Content sich ähnlich verhaltender Nutzer:innen anzupassen und somit ein neues Maß an Individualisierung zu schaffen. Auch RADÜ spricht hier von einer Chance diese Hyperindividualisierung zu nutzen.

„…schon das System wissen, dass mir die Nachrichten ausgeht und dann halt mir die Dinge, die ich eh schon weiß, ersparen und mir lieber Tiefeninformationen geben zu Themen, die vielleicht noch nicht weiß.“ (Dr. Jacob Vicari, persönliche Kommunikation, 16.12.2024)

„Warum geht das eigentlich nicht so dass dann die Reportage die ich lese schon mal von Leuten, die ähnliche Interessen haben wie ich schon einmal so ein bisschen gestreamlined wird in die Richtung und sie sehr personalisiert zu mir passt.“ (Dr. Jacob Vicari, persönliche Kommunikation, 16.12.2024)

„Ich glaube, das digitale Storytelling hat aber vor diesem Hintergrund und vor dieser Folie ein wahnsinniges Potenzial, weil dieses Nutzwertige, dieses News to Use: Was ziehe ich eigentlich daraus? Was sagt Abgeordnetenwatch jetzt genau zu meinem Abgeordneten, der in meinem Wahlkreis antritt? Das kann ja tatsächlich über ganz viele verschiedene Ebenen hinweg eine große Chance sein.“ (Dr. Jens Radü, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

RADÜ weist in diesem Kontext auf den journalistischen Auftrag der Meinungsbildung hin, der voraussetzt eine möglichst breite Perspektivvarianz zu bieten, um der Bildung von „Bubbles“ entgegenzuwirken.

„…das Individualisierungskonzept ist sehr, sehr lohnend. Wir sind noch nicht so weit, wie wir es vielleicht sein könnten. Man sollte nur eben achten, dass auch das Grenzen hat.“ (Dr. Jens Radü, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

„Menschen müssen sich eine Meinung bilden und Medien sind per Gesetz dazu verpflichtet, an dieser Meinungsbildung nicht nur teilzuhaben, sondern die überhaupt erst zu ermöglichen.“ (Dr. Jens Radü, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

In der Rezeption individueller Geschichten scheint Individualisierung nicht nur als Potenzial, sondern als Grundzutat des digitalen Storytellings verstanden, da diese erst die Basis der Interaktivität ermögliche.

„Also das ist nicht nur ein Potenzial, die Individualisierung der Medienrezeption, sondern das ist eigentlich eine Grundvoraussetzung für digitales Storytelling, um Interaktivität zu ermöglichen.“ (Kay Meseberg, persönliche Kommunikation, 06.12.2024)

Darüber hinaus scheint eine nutzer:innenzentrierte Perspektive ein Konsens zu sein. Somit wird Individualisierung erstrangig als Potenzial gesehen, eine Annäherung zueinander zu erreichen, also zwischen den Produzierenden und den Konsumierenden.

„Also ich hätte schon gern, dass der andere, mein Gegenüber, sich immer in seiner vollständigen Menschlichkeit als Individuum angesprochen fühlt und nicht das Gefühl entsteht, dass hier etwas massenhaft passiert.“ (Matthias Leitner, persönliche Kommunikation, 11.12.2024)

„Denn digitale Storys, die im Netz, über welchen Kanal auf immer verbreitet werden, haben eben immer diesen direkten Rückkanal, diese Anbindung an den Leser, an die Leserinnen…“ (Dr. Jens Radü, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

„Aber haben wir dann auch Rückschlüsse darauf gelassen, wie denn das Publikum tickt? Und das ist sozusagen mit allen digitalen Plattformen und im digitalen Storytelling quasi auf Mikro und zunehmend auch Nanoebene messbar realisiert worden.“ (Kay Meseberg, persönliche Kommunikation, 06.12.2024)

Geht man einen Schritt tiefer in der Betrachtung, so gibt es auch die Individualisierung im Fortschreiten dramaturgischer Strukturen. Damit sind beispielsweise Entscheidungen gemeint, die den fortschreitenden Verlauf einer Geschichte belangen. Hierbei gibt es allerdings Differenzen über die tatsächliche Freiheit der Nutzer:innen. LEINTER spricht beispielsweise von strukturellen Rahmen oder auch einer lediglich scheinbaren Freiheit. VICARI erwidert eine möglichst hohe Freiheit zu gewähren, um das Individualisierungspotenzial vollends ausnutzen zu können.

„…auch dort gibt es eine gewisse Linearität, das heißt er, ich verstehe das Konzept der Individualisierung und ich geh das auch voll mit. Ich setze für mich wiederum einen Rahmen.“ (Matthias Leitner, persönliche Kommunikation, 11.12.2024)

„…das, was beispielsweise längere Zeit mal im Gaming Bereich affin war, dass die Leute so das Gefühl hatten: „ach ich habe jetzt hier voll die Entscheidung getroffen“, aber drei vier Pfade später kommt eine Basisgeschichte wieder.“ (Matthias Leitner, persönliche Kommunikation, 11.12.2024)

„Oder wenn ich eine Geschichte lese, über einen Schiffsuntergang dann möchte ich vielleicht selbst bestimmen, welchen Pfad ich verfolge.“ (Dr. Jacob Vicari, persönliche Kommunikation, 16.12.2024)

VICARI spricht hier erneut die künstliche Intelligenz als mögliche Aussicht für die Umsetzung genau solcher Zwecke an.

„…also als Individualisierung und Personalisierung eine der großen Verheißungen ist, die künstliche Intelligenz uns jetzt bringen kann.“ (Dr. Jacob Vicari, persönliche Kommunikation, 16.12.2024)