Fragen:

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Auswertung

Inwiefern halten Sie es für sinnvoll, dass Medienkonsument:innen auch zu Medienproduzent:innen werden können?

Jacob Vicari

TACTILE.NEWS

Es ist ja, es ist ja Fakt, dass das jeder das sehr einfach werden kann. Also das jeder der ein Smartphone besitzt, auch Medienproduzent:in ist. Das ja schon seit 100 Jahren von Bertolt Brecht und anderen vorhergesehen wurde das eigentlich jeder, der ein Radiogerät besitzt, auch eigentlich zum Sender werden kann selbst und das ist hier so. Ob ich das für sinnvoll halte und nicht (…) finde ich das eine komische Frage, weil es ist so und das ist die Realität, in der wir professionellen Medienmacher:innen leben. Dass es auch plötzlich eine professionelle TikTokerin gibt, die vielleicht erst 16 ist und ein viel größeres Publikum, erreicht als ich als gut ausgebildeter Journalist und deswegen ist das, glaube ich, jetzt nicht schädlich, sondern es ist so, dass man sich als professioneller Medienmacher klarmachen muss: Was macht den Unterschied, was und wie ist es so? Was sind die Standards, an die ich mich halte? Was ist der Unterschied, wenn jemand für meine Inhalte Geld bezahlt und das es Journalismus ist im Vergleich dazu, dass jeder irgendwie senden kann. Gibt es eine Unterscheidung? Was ist die Unterscheidung? Das sollte jeder für sich klarkriegen und das andere ist, Ich halte sehr viel von Beteiligungsformaten. Ich finde, diese dialogischen Formate die ich auch gerade beschrieben habe, diese Vertrauens-Formate als den Ort für Debatte zu schaffen, sehr wichtig. Ich glaube aber auch, dass es natürlich eine kuratierte, kontrollierende Funktion von Medienmacher:innen gibt. Also auch diesen Raum zu moderieren, den Raum zu gestalten, die Regeln des Raums einzuhalten ist durchaus Aufgabe von Medienmacher:innen. Dass das auch Mehrwert ist, warum ich womöglich. Professionelle Medienmacher:innen dafür bezahle, dass sie das aussuchen für mich filtern die Komplexität der ganzen Welt für mich kuratieren und das Heraussuchen und dann ist das auch eine, (…) dann ist das die sinnvolle Aufgabe für professionelle Medienmacher:innen und genau gleichzeitig spricht ja nichts dagegen, dass jeder auf X, auf TikTok, auf Instagram, auf Facebook, auf Blogs, in Podcasts selbst Medien produziert und in die Welt hinaus schickt. Oder das Medien halt diese Offenheit haben, das auch aufzunehmen also, dass das nicht zwei getrennte Systeme sind, sondern der Übergang sollte dabei sehr fließend sein.

A: Du hast ja eben diese kuratorische Rolle angesprochen. Würdest du sagen, das allein durch den Fakt, dass es einfach, also diese Omnipräsenz von Medienproduzent:innen und Produkten, das sozusagen die Aufgabenfelder von dem klassischen journalistischen Beruf da einfach hin sich so verändert?

Ja, das ist ja längst so, also dass praktisch die Menge an Inhalten da draußen riesig ist und dass es viel mehr auch darum geht das zu kuratieren, herauszufinden, was da gerade Spannendes passiert und das mir in der Form so zusammenzufassen, die sich schnell auf Stand bin, weil ich nicht die Fähigkeit habe, 20 oder 30 Kanäle zu verfolgen, sondern genau das hoffe ich schon, dass das vertrauenswürdige Kolleg:innen tun und mir dann zusammenfassen und deswegen. Also das Kuratierende wird ja immer stärker und ist ja schon seit Jahren stärker, dass jemand der nicht auf X oder Twitter war, dass er zusammengefasst kriegt, was denn grad ein Politiker Politikerin geäußert hat und wie die Reaktionen darauf sind. Das ist, glaube ich das typische Beispiel.

Matthias Leitner

BR audience:first Lab

Ja, ja, da gibt es ja immer diese, die diese Engagement-Regel. Ich glaube, das ist heute irgendwie klar so 90% Zuschauer, 9%, die so ein bisschen stärker involviert sind, 1%, das hier halt reingreift. Ich sehe das immer noch reproduziert ohne, dass ich das jetzt noch mal validiert hätte. Ich habe nicht das Gefühl, also bei meinen Produktionen war es bislang ja auch nicht so, dass die Leute dann dezidiert zu Produzenten werden konnten. Ist auch nie also ein Mangel attestiert worden an den Projekten. Ich persönlich sage, es muss nicht sein. Wenn ich allerdings auf die 1% abzielen will und quasi ein höheres Engagement und eine Produktion von Leuten haben will, dann ist es natürlich fair enough zu sagen: das ist die Fringe quasi, für die ich arbeite. Meine Projekte waren dann doch immer noch so, dass ich sie auch in einer Art konsumieren konnte: Ich muss nicht mit dem Eisner schreiben, gab auch genügend, die das nicht getan. Das haben wir tatsächlich so ein bisschen reproduziert gesehen. Es war ein sehr engagierter Teil von Leuten, die geschrieben haben, manche haben es eine aus Spaß ausprobiert, das waren die 9%. Der Rest war sehr, sehr zufrieden mit den Nachrichten, die kamen, und mit der Beobachtung des Ablaufs.

A: Würden Sie sagen, dass diese Engagement-Regel für Sie auch bisher so gegriffen hat, wie sie formuliert ist?

Ja, tatsächlich. Ohne dem, dass ich sie jetzt wirklich auf eine harte Datenbasis überprüft hätte. Es ist eine Verhaltensregel, die relativ robust scheint. Das Interessante dann auch wiederum eine Frage für welches Ziel-Publikum ich das mach. Also „ich Eisner“ beispielsweise ist ja das Zielpublikum relativ klar umschrieben gewesen mit der Zielgruppe von Bayern2, das heißt eine weibliche Zielgruppe um die 40 mit Familie in Kulturberufen unterwegs, also dezidiert keine Gamer oder Leute, die aus einer sehr, sehr stark interaktiv geprägten Ecke kommen. Ich glaube, wenn ich das wiederum für eine Gruppe mach, die sehr, sehr stark in der Produktion ist oder für eine jugendliche Fringe Gruppe, die im Bereich von Fandom unterwegs ist, dann ist es natürlich was anderes. Dann würde ich auch anders arbeiten. Da ist wiederum für mich dieses Dreieck relevant. Kann ich nur von meinen Projekten sprechen.

Kay Meseberg

ARTE

Ja, ich habe manchmal dieses (…) also was sinnvoll ist. Also es gibt manchmal diese Vorstellung oder diese vermittelte Vorstellung oder dem Versuch, diese Vorstellung zu vermitteln. Je nachdem, wie man es betrachtet, dass es so ein bisschen zu, um zu so einer Art Malen nach Zahlen wird ja, also. Jemand muss im ON sein die das Video muss dann publiziert werden. Man muss irgendwie in den ersten Sekunden klarmachen, worum es geht. Und all diese Kriterien, die es gibt, ja, um sozusagen wo man hofft, dass man den Algorithmus damit füttert. So am Beispiel YouTube und Google selber nicht weiß, wie der funktioniert. Also, weil es ja auch maschinelles Lernen ist. Und damit geht aber so ein bisschen diese Vorstellung einher wie bei diesem Kinderspiel. Ja, jede Farbe hat eine Zahl und dann malt man das zusammen und am Ende hat man ein Resultat. Und gleichzeitig sehen wir halt, dass es doch sehr viele Überraschungen gibt von Dingen, die plötzlich supergut funktionieren, wo keiner drüber nachgedacht hat, sondern nur jemand irgendwie in seinem kleinen Kämmerlein. Also ich würde jetzt, ob es sinnvoll ist oder nicht (…) es hat ganz viele Aspekte. Es ist eine Realität, dass Medien (…) also es gab es ja schon bei Lobo und bei anderen irgendwie vor 15 Jahren die Prosumenten usw. da sind wir jetzt irgendwie. Also jeder kann mit seinem Telefon reinsprechen und das posten und sich um Kopf und Kragen reden wie er will. Ja also es ist jedem frei überlassen. Aber es ist sozusagen (…) es bleibt trotzdem ein bedeutender Teil unserer Wirtschaft und auch ein professionelles (…) Wenn wir über Produzenten reden, ist es dann am Ende doch irgendwo auch schnell etwas sehr Professionelles. Also die Ergebnisse von denjenigen, die das quasi nach der Schule machen. (…) Also wenn man irgendwann berühmt wird damit oder bekannt, dann ist man am Ende der Medienproduzent und weniger Konsument. So richtig. Aber die Schwelle, da einzutreten in den Markt ist natürlich extrem gesunken. Aber es gibt dazu noch eine sehr schöne, so kurz philosophische Betrachtung, die immer wieder ganz gut ist, mal wieder rein zu gucken: Flüssiges Geld heißt das, oder Liquid Currency auf Englisch von Pierre Klossowski wo, das schon in den 70er Jahren mal betrachtet wurde, also er hat es so an dem Sharron Tate Mord, Manson usw. betrachtet, also wie das ist das sozusagen diese Tragödie quasi Auflagen oder Auswüchsen bei Verlagen führte und damit zu erheblichen Milliardenumsätzen in der Zeitungsbranche. es ist halt die Realität, Ja? Und das kann man verwerflich finden oder nicht. Aber so funktioniert es halt. Und im Digitalen aber kann man schon argumentieren, also auch an der einen oder anderen Stelle immer wieder ist es doch schon noch mal was anderes. Also wenn jetzt Spotify Künstler:innen sagen irgendwie, sie müssen jetzt auf irgendwelche andere Art und Weise versuchen Geld zu verdienen, wenn sie von ihrer Kunst leben wollen, weil das bei Spotify ja nicht funktioniert oder Phänomene wie OnlyFans und diesen ganzen Kram. Also, es ist ja schon irgendwo ein sehr bizarres Verhalten und Vermächtnis. Was sich da gerade bildet und was letztendlich auf der Interaktion mit Inhalten basiert.

Lars Grabbe

Münster School of Design

Okay, jetzt werde ich kritisch. Also ich sage mal so: Jeder Hansel kann jetzt mit seinem Smartphone durch die Gegend gehen und ein Urlaubsfoto machen und mir das Urlaubsfoto auch zeigen. Und ich würde sagen, 98% der Fälle finde ich die Fotos schlecht und das sind zwei völlig unterschiedliche Welten. Ja, also einen Roman lesen zu können oder einen Roman schreiben zu können, das lässt sich überhaupt nicht vergleichen. Und in den seltensten Fällen setzt sich so etwas wie eine intensive Bloggerkultur auch wirklich durch. Oder in den seltensten Fällen, das zeigen ja Statistiken, können Bloggerinnen und Blogger oder auch Influencerinnen und Influencer wirklich auch nur davon leben. Also, dass wir alle sozusagen Content generieren können? Klar, die Devices machen es auch notwendig, aber ich unterrichte ja selbst an einer sehr renommierten Designhochschule mit mittlerweile einer 146-jährigen Tradition bei uns und also sich mit Dramaturgie zu beschäftigen, mit erzählerischer Komposition zu beschäftigen, mit visueller Kommunikation durch Bilder, durch Klangkommunikation im Sounddesign oder materialhaftes Storytelling im Produktdesign. Das sind akademische Ausbildungen, wo die Leute, sage ich mal, wenn sie konsekutive studieren, mindestens fünf Jahre studieren, bis zu einem Maß (…) Und dann haben wir ja noch nicht mal Meisterinnen/Meister ausgebildet, sondern dann haben sie einfach ihre Ausbildung fertig. Ja, die wirkliche Entwicklungszeit kommt dann. Und wenn man dann sagt, nur weil ich jemanden in einem Privatmilieu mit allen Medien, Technologien und dem Internet ausstatte, können die auch gute Geschichten erzählen. Also die Erfahrung zeigt, dass es Quatsch ist, egal in welchen Milieus wir sind. Auch bei der Musik. Und man kann heutzutage ganz einfach eigene Songs zu Hause aufnehmen. Und es gibt Hunderttausende von Leuten, die haben YouTube Channels und singen da fleißig in die Kamera und von diesen 100.000 Leuten pro Jahr, wie viele kriegen da wirklich mal einen Majordeal bei einem Plattenlabel? Also ich möchte mal vermuten das sind nicht mehr als fünf, das ist eine überschaubare Zahl. Deswegen: Alle dürfen alles tun. Ja, die Gedanken sind frei. Und in der Medienwissenschaft gilt es ja auch, dass das Gestalten und das Lebensweltdokumentieren und das eigene Leben kartografieren, hat Marshall McLuhan schon gesagt: In der Zukunft werden wir alle mal fünf Minuten berühmt sein. Ich glaube, das trifft hier zu. Aber ehrlich gesagt, sinnvoll ist es nicht.

Jens Radü

Der Spiegel

Demokratietheoretisch ein Traum. Allerdings geht natürlich mit jedem Medium auch eine Verantwortung einher. Ich habe ja über Artikel 5 schon gesprochen und es ist eine große Gnade und Errungenschaft unseres Grundgesetzes, dass dort im Artikel 5 auch steht: Eine Zensur findet nicht statt. Wir sehen in anderen Ländern, wozu das führt. Wir sehen, wie in Russland Menschen für ihre Überzeugung, dafür, dass sie die Regierung kritisiert haben, in Sibirien landen, im Gefängnis. Also das ist ein wahnsinnig großer Satz und deswegen kann man in Deutschland sich nur glücklich schätzen in einem offenen, freien System zu leben, das jedem auch ermöglicht, inzwischen nicht nur Medien zu konsumieren, sondern selbst zum Medium zu werden. Trotzdem gibt es gesellschaftlich Gefahren, denn wir haben in den letzten Jahren ja gesehen, dass die Entwicklung und die Verbreitung von Fake News durch private oder halbprivate Medien noch mal viel leichter geworden ist. Womit ich jetzt nicht behaupten will das andere Medien jetzt keine Fakenews produzieren und der Spiegel als Relotius-Medium hat natürlich seine ganz eigene Fake News Geschichte, was ich jetzt gar nicht herunterspielen möchte. Trotzdem haben wir immerhin ein Factchecking-Team, das sich darum kümmert, dass eigentlich all das, was wir veröffentlichen, auf Fakten basiert und gecheckt wird. Und wenn es im ersten Aufschlag vielleicht noch nicht richtig gestimmt hat, es trotzdem transparent korrigiert wird. Dass wir also eine Fehlerkultur haben, inzwischen zwar auch nicht immer so, aber inzwischen. Bin ich ziemlich stolz darauf, dass es so ist, nachdem alle Menschen nachvollziehen können: Aha, da hat sich der Spiegel anscheinend geirrt und dann er hat das aber zurechtgerückt und korrigiert. Und das sind Qualitätsstandards, die, glaube ich, gerade in der gesellschaftlichen Debatte, die ja viel mehr im Digitalen inzwischen stattfindet als früher, sehr bedeutend und wichtig sind. Denn, wenn eine Debatte auf falschen faktenbasiert ist die gesamte Debatte von vornherein entwertet. Das mögen immer noch valide Eindrücke und valide Emotionen sein, die sich dann damit verbinden. Aber wenn die gesamte, schon das gesamte Fundament nicht stimmt, ist die Debatte auf jeden Fall nicht so valide wie die Debatte, die auf zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt validen Faktenbasis basierte. Man merkt wahrscheinlich schon an, dass es tatsächlich kein einfaches Thema ist. Denn natürlich spielen auch ökonomische Überlegungen eine Rolle, wenn wir sehen, dass von Sportvereinen, von sehr vielen Parteien, man sieht den Erfolg der AfD, zum Beispiel auf TikTok mit nicht journalistischen Inhalten, aber mit journalistisch-ähnlichen Inhalten. Das da viel Reichweite generiert wird, dass Menschen damit in Berührung kommen und gar mehr so wirklich unterscheiden können: Ist das jetzt eigentlich eine gesicherte Information oder ist es einfach etwas, das jemand behauptet? Dann kommen wir da einfach sehr, sehr schnell in schwierige Positionen. Deswegen glaube ich, es ist sehr, sehr sinnvoll, dass Medienproduzent:innen nicht reglementiert sind. Aber die Bedeutung von Medien und Journalismus, auch solche Medien, also von privaten, von Medienkonsument:innen einzuordnen, zu bewerten und zu checken, wird umso größer. Und das bezieht sich auf alle gesellschaftlichen Ebenen. Das gilt genauso für Politiker wie für den FC Bayern. Und ich glaube deswegen, dass der Journalismus nicht weniger, sondern er noch relevanter wird.

Wird über Teilhabe in medialen Formaten gesprochen, die von einer Gruppe von Produzierenden an die Konsumierenden abgegeben wird, um innerhalb der Formate zu „produzieren“, so spricht LEITNER die Engagement-Regel an. Also die Problemstellung, dass sich nur ein vergleichsweise geringer bis minimaler Teil der Nutzenden tiefergehend mit dem Medium auseinandersetzt und Produktion sowie Interaktion somit nur ein Angebot bleibt.

„Da gibt es ja immer diese, die diese Engagement-Regel. Ich glaube, das ist heute irgendwie klar: so 90% Zuschauer, 9%, die so ein bisschen stärker involviert sind, 1%“ (Matthias Leitner, persönliche Kommunikation, 11.12.2024)

„Ich muss nicht mit dem Eisner schreiben, gab auch genügend, die das nicht getan [haben]“ (Matthias Leitner, persönliche Kommunikation, 11.12.2024)

Betrachtet man allerdings die absolute Freiheitszuschreibung selber zu produzieren, außerhalb von separat erstellten dramaturgischen Formaten, so scheine es eine Lebensrealität zu sein, dass einerseits jede/r recht einfach und zugänglich mediale Artefakte erzeugen und teilen kann.

„Es ist eine Realität, dass Medien (…) also es gab es ja schon bei Lobo und bei anderen irgendwie vor 15 Jahren die Prosumenten usw. da sind wir jetzt irgendwie.“ (Kay Meseberg, persönliche Kommunikation, 06.12.2024)

„…dass das jeder das sehr einfach werden kann. Also das jeder der ein Smartphone besitzt, auch Medienproduzent:in ist.“ (Dr. Jacob Vicari, persönliche Kommunikation, 16.12.2024)

„Also das ist ein wahnsinnig großer Satz und deswegen kann man in Deutschland sich nur glücklich schätzen in einem offenen, freien System zu leben, das jedem auch ermöglicht, inzwischen nicht nur Medien zu konsumieren, sondern selbst zum Medium zu werden.“ (Dr. Jens Radü, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

RADÜ ordnet diesen Umstand theoretisch als liberalen Erfolg ein, eröffnet allerdings im selben Schritt ein Spannungsfeld, welches den Journalismus als klassische Produktionsseite an einigen Stellen herausfordert.

„Demokratietheoretisch ein Traum. Allerdings geht natürlich mit jedem Medium auch eine Verantwortung einher.“ (Dr. Jens Radü, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

Innerhalb der methodischen Abläufe werden nun Formate geschaffen, die Abweichungen von den eher eingefahrenen Betrachtungsweisen der traditionell Schaffenden darstellen und solche damit folglich hinterfragen.

„…und damit geht aber so ein bisschen diese Vorstellung einher wie bei diesem Kinderspiel. Ja, jede Farbe hat eine Zahl und dann malt man das zusammen und am Ende hat man ein Resultat. Und gleichzeitig sehen wir halt, dass es doch sehr viele Überraschungen gibt von Dingen, die plötzlich supergut funktionieren, wo keiner drüber nachgedacht hat, sondern nur jemand irgendwie in seinem in seinem kleinen Kämmerlein“ (Kay Meseberg, persönliche Kommunikation, 06.12.2024)

Diesen Formaten wird gleichzeitig auch eine gewisse Reichweitenkonzentration zugesprochen, besonders im Kontext von auch unausgebildeten Produzierenden. Worauf folglich auch marktwirtschaftlich relevante Perspektiven und auch Konflikte entstehen können.

„Das da viel Reichweite generiert wird, dass Menschen damit in Berührung kommen…“ (Dr. Jens Radü, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

„Dass es auch plötzlich einen professionelle TikTokerin gibt, die vielleicht erst 16 ist und ein viel größeres Publikum, erreicht als ich als gut ausgebildeter Journalist…“ (Dr. Jacob Vicari, persönliche Kommunikation, 16.12.2024)

Aus einer weiteren Perspektive gibt es ebenso das Bedenken über die Verbreitung von Falschinformationen und den damit verbundenen Folgen. Dies betrifft den journalistischen Kontext besonders.

„Trotzdem gibt es gesellschaftlich Gefahren, denn wir haben in den letzten Jahren ja gesehen, dass die Entwicklung und die Verbreitung von Fake News durch private oder halbprivate Medien noch mal viel leichter geworden ist.“ (Dr. Jens Radü, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

„…und gar mehr so wirklich unterscheiden können: Ist das jetzt eigentlich eine gesicherte Information oder ist es einfach etwas, das jemand behauptet?“ (Dr. Jens Radü, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

Diesen Herausforderungen folge eine zwangsläufige Auseinandersetzung des journalistischen Milieus in der Fragestellung der Unterscheidung. Also worin liegt der Unterschied und was macht diesen eigentlich aus?

„…sondern es ist so, dass man sich als professioneller Medienmacher klar machen muss: Was macht den Unterschied, was und wie ist es so? Was sind die Standards, an die ich mich halte? Was ist der Unterschied, wenn jemand für meine Inhalte Geld bezahlt und das es Journalismus ist im Vergleich dazu, dass jeder irgendwie senden kann. Gibt es eine Unterscheidung?“ (Dr. Jacob Vicari, persönliche Kommunikation, 16.12.2024)

Dieser Fragestellung folgt besonders die perspektivische Pflicht des Journalismus eine kuratierende Rolle, sowie eine mediatorische Aufgabe zu übernehmen. Also eine zumindest leichte Umgewichtung weg von der klassischen Produktion.

„Also das Kuratierende wird ja immer stärker und ist ja schon seit Jahren stärker, dass jemand der nicht auf X oder Twitter war, dass er zusammengefasst kriegt, was denn grad ein Politiker Politikerin geäußert hat und wie die Reaktionen darauf sind.“ (Dr. Jacob Vicari, persönliche Kommunikation, 16.12.2024)

„Aber die Bedeutung von Medien und Journalismus, auch solche Medien, also von privaten, von Medienkonsument:innen einzuordnen, zu bewerten und zu checken, wird umso größer.“ (Dr. Jens Radü, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

„Also auch diesen Raum zu moderieren, Den Raum zu gestalten, Die Regeln des Raums einzuhalten ist durchaus Aufgabe von Medienmacher:innen. dass das auch Mehrwert ist, warum ich womöglich. Professionelle Medienmacher:innen dafür bezahle, dass sie das aussuchen Für mich filtern die Komplexität der ganzen Welt für mich kuratieren und das heraussuche.“ (Dr. Jacob Vicari, persönliche Kommunikation, 16.12.2024)

„Ich finde, diese dialogischen Formate die ich auch gerade beschrieben habe, diese Vertrauens-Formate als den Ort für Debatte zu schaffen, sehr wichtig.“ (Dr. Jacob Vicari, persönliche Kommunikation, 16.12.2024)

GRABBE sieht eine Unterscheidung besonders in der Ausbildung, speziell im Kontext dramaturgischer Auseinandersetzung und spricht gleichzeitig eher von einer fragmentarischen Erscheinung von Erfolg in Bezug auf unausgebildete Produzierende. Und auch MESEBERG spricht im Rahmen der Produktion von einer Professionalität im Vergleich zu neuen Schaffenden. Damit setzt sie die schlichtweg existierende Möglichkeit noch nicht mit Erfolg oder Qualität gleich.

„…also mit Dramaturgien zu beschäftigen, Mit erzählerischer Komposition zu beschäftigen, mit visueller Kommunikation durch Bilder, durch Klangkommunikation im Sounddesign oder materialhaftes Storytelling im Produktdesign. Das sind akademische Ausbildungen…“ (Prof. Dr. Lars C. Grabbe, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

„Deswegen Alle dürfen alles tun. Ja, die Gedanken sind frei. Und in der Medienwissenschaft gilt es ja auch, dass das Gestalten und das Lebenswelt dokumentieren und das eigene Leben kartographieren, hat Marshall McLuhan schon gesagt: In der Zukunft werden wir alle mal fünf Minuten berühmt sein. Ich glaube, das trifft hier zu.“ (Prof. Dr. Lars C. Grabbe, persönliche Kommunikation, 17.12.2024)

„Wenn wir über Produzenten reden, ist es dann am Ende doch irgendwo auch schnell etwas sehr Professionelles“ (Kay Meseberg, persönliche Kommunikation, 06.12.2024)

Dennoch scheint die Einstiegshürde zu der Produktion generell herabgesenkt, was im Kontext zukünftiger Betrachtungen weitere Auseinandersetzungen und mögliche Abgrenzungen provozieren könnte.

„Aber die die Schwelle, da einzutreten in den Markt ist natürlich extrem gesunken“ (Kay Meseberg, persönliche Kommunikation, 06.12.2024)